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Kammermitteilung WIR 1/2024
  • Konjunkturbefragung in den Freien Berufen Herbst/Winter 2023

  • Einladung zur Kammerversammlung

  • Termine Sommerabschlussprüfung

Berufsrecht

Die Berufsordnung legt dem Rechtsanwalt zahlreiche Pflichten auf, deren Nichtbeachtung durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer bzw. durch das Anwaltsgericht geahndet werden können.

Im Rahmen der Berufsaufsicht leitet die Rechtsanwaltskammer bei begründetem Anlass ein Beschwerdeverfahren gegen das Kammermitglied ein. In der Regel wird der betroffene Rechtsanwalt vom Vorstand aufgefordert, zum vorgetragenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Nach erfolgter Stellungnahme entscheidet eine der drei Beschwerdeabteilungen.

Dem Vorstand obliegt es, Mitglieder im Falle der Verletzung von Berufspflichten zu belehren oder aber eine Rüge auszusprechen, wenn die Schuld des Rechtsanwalts gering ist und ein anwaltsgerichtliches Verfahren nicht erforderlich erscheint.

Wird ein Verfahren bei dem Anwaltsgericht eingeleitet, können als Maßnahmen verhängt werden:

  • Warnung
  • Verweis
  • Geldbuße bis 25.000 €
  • Verbot auf einem bestimmten Rechtsgebiet als Vertreter und Beistand für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren tätig zu werden
  • Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft 

Hier finden Sie die wichtigsten Berufspflichten:

Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen

Dem Rechtsanwalt ist es untersagt, in derselben Rechtssache widerstreitende Interessen zu vertreten.

Ob dieselbe Rechtssache vorliegt ist danach zu beurteilen, ob der sachlich-rechtliche Inhalt der anvertrauten Interessen bei natürlicher Betrachtungsweise auf ein innerlich zusammen gehörendes, einheitliches Lebensverhältnis zurückzuführen ist. Nicht der einzelne Anspruch aus dem einheitlichen Lebensverhältnis ist entscheidend, sondern das einheitliche Lebensverhältnis selbst.

Zudem darf der Rechtsanwalt nicht schon einmal in entgegengesetztem Interesse eine andere Partei in dieser Sache vertreten haben.

Der Umstand, dass das vormalige Mandat beendet ist, schafft die Interessenkollision nicht aus der Welt. Auch die Zustimmung der Mandanten beseitigt nicht das Tätigkeitsverbot solange – wie in der Regel – Belange der Rechtspflege der Vertretung entgegenstehen (§ 3 Abs. 2 S. 2 BORA).

Zu beachten ist weiter, dass sich die Interessenkollision auf alle in derselben Berufsausübungsgemeinschaft oder Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwälte erstreckt und auch im Falle des Kanzleiwechsels greift.

Ob der Interessengegensatz nach subjektiven oder objektiven Kriterien zu beurteilen ist, ist umstritten. Der BGH hat entschieden, dass eine latente Interessenkollision für ein Tätigkeitsverbot nicht ausreichend ist (BGH, Urt. V. 23.04.2012, AnwZ (Brfg) 35/11).

Umgang mit Fremdgeldern

Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, fremde Gelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen (§ 43a Abs. 5 BRAO). Nach § 4 BORA muss ein Anderkonto zur Verwaltung von Fremdgeldern geführt werden. Dabei ist umstritten, ob eine generelle Pflicht zur Anderkontoführung für jeden Rechtsanwalt besteht oder aber ob ein Anderkonto zumindest dann entbehrlich ist, wenn tatsächlich keine Fremdgelder „verwaltet“ werden.

Die Pflicht zur Weiterleitung oder Einzahlung auf ein Anderkonto entfällt, wenn der Rechtsanwalt in zulässiger Weise mit seiner Gegenforderung aufrechnet.

Unterrichtung des Mandanten, § 11 Abs. 1 BORA

Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, seinen Mandanten über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten und ihm von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben. Anfragen des Mandanten sind unverzüglich zu beantworten.

Eine bestimmte Form der Unterrichtung sieht die BORA nicht vor; sie kann daher mündlich, schriftlich oder elektronisch erfolgen. Die Grenze des Auskunftsanspruchs ist das Schikaneverbot.

Die Unterrichtungspflicht des § 11 BORA beruht auf der zivilrechtlichen Auskunftspflicht im Auftragsverhältnis. Eine berufsrechtliche Verpflichtung zur Beantwortung von Fragen des Gegners besteht deshalb nicht.

Umgehung des Gegenanwalts, § 12 BORA

Der Rechtsanwalt darf nicht mit einem anderen Beteiligten Verbindung aufnehmen, wenn dieser anwaltlich vertreten ist und der gegnerische Anwalt nicht seine Einwilligung erklärt hat. Eine Ausnahme gilt nur bei Gefahr im Verzug. Jedoch muss der gegnerische Kollege in diesem Fall unverzüglich unterrichtet werden.

Das Umgehungsverbot dient dem Schutz des gegnerischen Mandanten vor Überrumpelung und der Abgabe ihn benachteiligender Erklärungen, die er ohne Beratung mit seinem Anwalt nicht abgegeben hätte.

Aber Vorsicht:
Prüfen Sie bei Klageerhebung, ob der außergerichtlich tätige gegnerische Kollege Prozessvollmacht hat, damit die Zustellung auch wirksam ist!

(BGH, Urt. V. 06.04.2011, VIII ZR 22/10)

Empfangsbekenntnisse, § 14 BORA

Der Rechtsanwalt hat ordnungsgemäße Zustellungen entgegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mit Datum versehen unverzüglich zu erteilen . Dies gilt sowohl bei Zustellungen von Amts wegen in gerichtlichen oder Verwaltungsverfahren wie nach h. M. auch bei Zustellungen von Anwalt zu Anwalt.

Verweigert der Rechtsanwalt bei einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung die Mitwirkung, muss er dies dem Absender unverzüglich mitteilen.

Streitig ist, ob auch unfrankierte Empfangsbekenntnisse zurückgesandt werden müssen, weil § 175 Abs. 4 ZPO zwar normiert, dass Empfangsbekenntnisse an das Gericht zurückzusenden sind, Regelungen zur Kostentragungspflicht jedoch fehlen. Von der h. M. wird dies bejaht (so auch AnwG Hamburg).

Der Rechtsanwalt muss das Empfangsbekenntnis eigenhändig unterzeichnen. Die Unterschrift einer Fachangestellten oder eines Referendars ist nicht ausreichend.

Bitte beachten Sie auch, dass trotz bislang nur bestehender passiver Nutzungspflicht das elektronische Empfangsbekenntnis bereits jetzt via beA zurückgesandt werden muss. Gem. § 174 Abs. 4 ZPO werden Zustellungen im elektronischen Rechtsverkehr ab 1. Januar 2018 durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB) nachgewiesen. Es ist in strukturierter maschinenlesbarer Form zu übermitteln.
Handakten § 50 BRAO, § 17 BORA

Der Rechtsanwalt muss durch Anlegung von Handakten ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit geben können. Nach §§ 675, 666 BGB ist der Rechtsanwalt verpflichtet, gegenüber dem Mandanten über seine Tätigkeit Auskunft zu erteilen und Rechenschaft abzulegen.

Zu den Handakten gehört - unbeschadet der eigentumsrechtlichen Zuordnung – alles, was der Anwalt aus Anlass seiner Tätigkeit erhalten hat, unabhängig davon, wer das Schriftstück gefertigt hat und auf welche Weise es in seinen Besitz gekommen ist. Dokumente, die der Rechtsanwalt aus Anlass seiner beruflichen Tätigkeit von seinem Auftraggeber oder für ihn erhalten hat, hat er auf Verlangen an diesen herauszugeben. Dies gilt nicht für Dokumente, die der Auftraggeber bereits in Urschrift oder in Abschrift erhalten hat.

Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie, das am 18.05.2017 in Kraft getreten ist, wurde die Aufbewahrungspflicht geändert. Der Rechtsanwalt muss die Handakten künftig 6 Jahre aufbewahren. Die Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Auftrag beendet wurde.

Achtung: abweichende steuerrechtliche Aufbewahrungsfristen sind zu beachten. Zudem ist in § 50 BRAO nun ausdrücklich geregelt, dass in anderen Vorschriften getroffene Regelungen zu Aufbewahrungs- und Herausgabepflichten unberührt bleiben. § 667 BGB ist damit weterhin zu beachten.

Die Aufbewahrungspflicht kann vorher erlöschen, wenn der Auftraggeber aufgefordert wurde, die Akten in Empfang zu nehmen und dieser der Aufforderung nicht innerhalb von 6 Monaten nachgekommen ist.

Handakten können grds. auch in elektronischer Form geführt werden (§ 50 Abs. 5 BRAO). Bitte beachten Sie jedoch den eingeschränkten Beweiswert von Scans und die Besonderheiten bei Originalurkunden.

Der Rechtsanwalt ist zur Herausgabe der Handakten berufsrechtlich verpflichtet (BGH, Urteil vom 03.11.2014, AnwZ (Brfg) 72/13).

Werbung, § 43b BRAO, §§ 6 ff. BORA

Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.

Das anwaltliche Werberecht hat in den letzten Jahren eine deutliche Liberalisierung erfahren. Inzwischen ist anders als noch vor zehn Jahren Werbung bei Anwälten eine Selbstverständlichkeit. Grenzen gibt es aber immer noch. So ist nach wie vor die Direktwerbung um das Mandat im konkreten Einzelfall, die irreführende Werbung oder die unsachliche Werbung mittels reiner Werturteile mit dem Berufsrecht nicht in Einklang zu bringen.

Bei der Gestaltung von Briefbögen ist § 10 BORA zu beachten. Pflichtangaben sind danach:

  • Kanzleianschrift
  • die Namen sämtlicher Gesellschafter bei Verwendung einer Kurzbezeichnung
  • Berufsbezeichnungen bei Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Berufe
  • Ausgeschiedene Kanzleiinhaber, Sozien, Angestellte oder freie Mitarbeiter können auf den Briefbögen nur weitergeführt werden, wenn ihr Ausscheiden kenntlich gemacht wird.
Beendigung gemeinschaftlicher Berufsausübung, § 32 BORA

Wegen des Grundsatzes der freien Anwaltswahl (§ 3 Abs. 3 BRAO) müssen die Sozien bei Auflösen der Sozietät ihre Mandanten befragen, wer künftig ihre laufenden Mandate bearbeiten soll. Dabei sollen sich die bisherigen Partner möglichst auf eine einvernehmliche Formulierung einigen. Ist dies nicht möglich, kann jeder Sozius selbst die Entscheidung des Mandanten abfragen.

Scheidet ein Sozius aus einer im Übrigen weiterbestehenden Kanzlei aus, gilt bzgl. des Befragungsrechts das Gleiche für die Mandate, die der Ausscheidende bearbeitet hat. Daneben hat er aber auch das Recht, alle Mandanten über sein Ausscheiden zu informieren, um eine Haftung nach Rechtsscheingrundsätzen zu vermeiden. Auf Anfrage sind die neue Kanzleiadresse sowie Telefon und Faxnummer des ausgeschiedenen Sozius bekannt zu geben.

Der ausscheidende Sozius darf für ein Jahr am bisherigen Kanzleisitz einen Umzugshinweis anbringen. Der verbleibende Sozius hat während dieser Zeit auf Anfragen von Mandanten die neue Kanzleiadresse sowie die Telefon- und Faxnummer des ausgeschiedenen Rechtsanwalts zu bekannt zu geben.

Das Vorstehende gilt auch für eine Außen-/Scheinsozietät.

DL-InfoV/TMG

Die Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung (DL-InoV) regelt Inhalt, Umfang und Art, welche Informationen ein Dienstleistungserbringer zur Verfügung stellen muss. Sie findet auch auf die anwaltliche Dienstleistung Anwendung.

Vor allem bei Internetauftritten sind zahlreiche Informationspflichten zu beachten, die sich bereits aus § 5 Telemediengesetz (TMG) ergeben.

Fortbildungspflicht, § 43a Abs. 6 BRAO

Bislang ist in § 43a BRAO die Fortbildungspflicht als generelle Grundpflicht des Rechtsanwalts normiert.

Mit seinem Gesetzesentwurf vom 03.05.2016 hat das BMJV nunmehr der Satzungsversammlung eine Ermächtigung zur Konkretisierung der Fortbildungspflicht eingeräumt. Derzeit wird über die konkrete Ausgestaltung beraten. Die Satzungsversammlung wird über die entsprechende Änderung der BORA voraussichtlich in ihrer Sitzung am 19.05.2017 beraten und beschließen.

 

Sachlichkeit

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gehört das Sachlichkeitsgebot seit jeher zu den anwaltlichen Berufspflichten. Es halte zu einem sachgerechten, professionellen Austragen von Rechtsstreitigkeiten an.

Das Sachlichkeitsgebot darf den Rechtsanwalt jedoch nicht in seinem Kampf um das Recht im Interesse seines Mandanten einschränken. Nicht jeder Verstoß gegen den guten Ton oder das Taktgefühl stellt bereits einen Verstoß dar. Kleine Unsachlichkeiten seien deshalb aus dem sanktionierten Pflichtenkatalog herausgenommen. Ein Verstoß liege aber jedenfalls dann vor, wenn es sich um strafbare Beleidigungen, das bewusste Verbreiten von Unwahrheiten oder neben der Sache liegende herabsetzende Aussagen und Verhaltensweisen handle, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensablauf keinen Anlass gegeben hätten (BVerfGE 76, 171). 

Verschwiegenheitspflicht

Der Rechtsanwalt hat das Recht und die Pflicht zur Verschwiegenheit. Sie gilt gegenüber jedermann und bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist. Dazu gehört auch die Tätigkeit als Vermittler, Schlichter oder Mediator (§ 18 BORA) oder als Pfleger, Vormund und Betreuer.

Nicht erfasst von der Verschwiegenheitspflicht sind offenkundige Tatsachen, die ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen.

Die Verschwiegenheitspflicht gilt nach Beendigung des Mandats und über den Tod des Mandanten hinaus fort. Das Recht zur Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht geht nicht auf die Erben über.

Die Pflicht zur Entbindung von der Verschwiegenheit kann entfallen:

  • bei Entbindung durch den Mandanten
  • bei konkludenter Einwilligung des Mandanten
  • bei der Offenbarung zur Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder zur Verteidigung in eigener Sache soweit erfoderlich
  • im Falle gesetzlicher Normierung wie Anzeigepflicht nach § 138 StGB, Anzeigepflicht nach §§ 6, 11 Geldwäschegesetz bzw. als Drittschuldner nach § 840 ZPO

Aus der Zeugenstellung des Anwalts folgt keine Befreiung von der Verschwiegenheitspflicht.