Berufspflichten
Die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und die Berufsordnung der Rechtsanwälte (BORA) regeln das Berufsrecht der Rechtsanwälte. Bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit innerhalb Europas finden außerdem die Regelungen der Vereinigung der europäischen Rechtsanwaltskammern (CCBE) Anwendung. Für europäische Rechtsanwälte, die in Deutschland tätig werden, finden sich wesentliche Regelungen im Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EURAG).
Die Kernpflichten der anwaltlichen Berufsausübung sind in § 43a BRAO geregelt:
- das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen
- die Verpflichtung zur anwaltlichen Verschwiegenheit
- die Pflicht zum sorgfältigen Umgang mit anvertrauten Vermögenswerten (Fremdgelder)
- das Gebot der Sachlichkeit
- die Pflicht zur Fortbildung
Gemäß § 43a Abs. 4 BRAO darf ein Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er einen anderen Mandanten in der selben Rechtssache bereits im widerstreitenden Interesse beraten oder vertreten hat. Dabei kann die selbe Rechtssache weiter zu fassen sein als das jeweilige Mandant (z.B. bei Scheidungsangelegenheiten). Eine Vertretung ist auch dann ausgeschlossen, wenn das vorherige Mandat beendet ist.
Anwaltliche Verschwiegenheitspflicht
Die Verschwiegenheitspflicht ist eine der anwaltlichen Grundpflichten und unverzichtbar für den Bestand des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalts und Mandant. Sie ist In §§ 43 a Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BRAO und § 2 Abs. 1 und Abs. 2 BORA geregelt. Mit der Verschwiegenheitspflicht korreliert das Recht zur Verschwiegenheit (Zeugnisverweigerungsrecht).
Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich grundsätzlich auf alles, was dem Anwalt in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist, soweit es eine vertrauliche Behandlung erfordert. Offenkundige Tatsachen fallen damit nicht unter den Geheimnisschutz. Sie gilt unbegrenzt und damit über das Mandatsende und grds. über den Tod hinaus.
Da auch die Mandatsanbahnung zur anwaltlichen Berufsausübung zählt, unterliegt der Anwalt auch dann der Verschwiegenheitspflicht, wenn er das Mandat ablehnt.
Mit der Verschwiegenheitspflicht korreliert das Recht zur Verschwiegenheit (Zeugnisverweigerungsrecht). Sie gilt gegenüber jedermann, also auch gegenüber anderen zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen und Familienangehörigen.
Grenzen der Verschwiegenheitspflicht
In engen Grenzen ist eine Offenbarung ohne Einwilligung des Mandanten zulässig:
- Bereits die Identität des Mandanten fällt grundsätzlich unter die Verschwiegenheitspflicht. Tatsachen dürfen jedoch auch ohne Einwilligung des Mandanten offenbart werden, wenn sie zur Kollisionsprüfung erforderlich sind (§ 43a Abs. 4 S. 6 BRAO).
- Da der Mandant „Herr des Geheimnisses“ ist, kann er seinen Anwalt von der Pflicht entbinden. Auch eine konkludente Einwilligung ist möglich. Dieses Recht geht nach dem Tod des Mandanten grds. nicht auf die Erben über. Was dem mutmaßlichen Willen des verstorbenen Mandanten entspricht, kann der Anwalt in eigener Verantwortung entscheiden (Henssler/Prütting, "BRAO", 6. Auflage 2024, § 43a Rdnr. 89).
- Der Rechtsanwalt darf das zur Erfüllung der Darlegungs- und Beweislast Notwendige vortragen, um eigene Ansprüche geltend zu machen (z.B. Honoraransprüche) oder gegen ihn geltend gemachte Ansprüche abzuwenden.
- Schließlich kommt eine Offenbarung in Betracht bei einer Anzeigepflicht gem. § 138 StGB oder nach Geldwäschegesetz.
§ 43a BRAO - Grundpflichten
Der Rechtsanwalt ist bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet. Fremde Gelder sind unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen.
§ 4 BORA - Fremdgelder und andere Vermögenswerte
(1) Fremdgelder und sonstige Vermögenswerte, insbesondere Wertpapiere und andere geldwerte Urkunden, sind unverzüglich an die Berechtigten weiterzuleiten. Solange dies nicht möglich ist, sind Fremdgelder auf Anderkonten zu verwalten; dies sind in der Regel Einzelanderkonten. Die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt tragen dafür Sorge, dass über Sammelanderkonten keine Zahlungen abgewickelt werden, bei denen Risiken in Bezug auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung bestehen. Auf einem Sammelanderkonto dürfen Gelder nicht verwaltet werden,
a) die aus Mandaten stammen, deren Gegenstand zumindest auch ein Geschäft, eine Dienstleistung, eine Hilfeleistung, eine Transaktion oder eine Beratung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 10 des Geldwäschegesetzes mit Ausnahme der Verwaltung von Geld nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb des Geldwäschegesetzes ist,
b) die der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt in bar übergeben wurden und die unbeschadet einer Aufteilung auf mehrere Teilbeträge den Betrag von insgesamt 1000 Euro übersteigen oder
c) die der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt von einem Bankkonto aus einem Drittstaat überwiesen wurden, der
1. zu den von der Europäischen Kommission nach Artikel 9 der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 ermittelten Drittstaaten mit hohem Risiko gehört, die im Anhang der Delegierten Verordnung (EU) 2016/1675 der Kommission vom 14. Juli 2016 in der jeweils geltenden Fassung aufgeführt ist, oder
2. in den jeweils aktuellen Informationsberichten „High-Risk Jurisdictions subject to a Call for Action“ und „Jurisdictions under Increased Monitoring“ der Financial Action Task Force als Staat mit strategischen Mängeln eingestuft wird.
Gelder, die auf einem Sammelanderkonto verwaltet wurden, darf die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt nicht in bar auszahlen oder auf Konten in Ländern gemäß Satz 4 Buchstabe c weiterleiten. Über Fremdgelder ist unverzüglich, spätestens mit Beendigung des Mandats, abzurechnen. Sonstige Vermögenswerte sind gesondert zu verwahren. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit etwas anderes in Textform vereinbart ist.
(2) Eigene Forderungen dürfen nicht mit Geldern verrechnet werden, die zweckgebunden zur Auszahlung an andere als den Mandanten bestimmt sind.